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Interview mit James Lea

Der Meeresbiologe James Lea (Film Older Than Trees) hat mit seiner Forschung über Haie dazu beigetragen, dass verschiedene Meeresschutz­gebiete eingerichtet wurden. Wir haben ihm fünf Fragen über seine Arbeit gestellt.

Woher wissen wir, dass einige Hai- und Rochenarten älter sind als Bäume?

Dass einige Haiarten seit mehr als 400 Millionen Jahren existieren, wissen wir durch Fossilienfunde. Haie haben zwar weiche knorpelige Skelette, die nicht gut als Fossilien erhalten bleiben. Dafür fossilisieren aber ihre Zähne und Dentikel - das sind zahnähnliche gepanzerte Platten auf ihrer Haut. Diese haben im Fossilienbestand mehr als 10 Millionen Jahre Vorsprung vor Bäumen, die erst vor etwa 390 Millionen Jahren aufgetaucht sind. Erstaunlicherweise sind Haie auch den Dinosauriern im Fossilienbestand um 200 Million Jahre voraus und haben sie überlebt, indem sie vier Massenaussterben überstanden haben!

Mit welchen Methoden bekommst du deine Daten über Haie?

Daten über Haie zu bekommen, ist eine große Herausforderung. Sie auch noch zu verstehen, ist dann noch einmal eine ganz andere Sache. Wir können Haie nicht direkt beobachten und müssen daher auf verschiedene Technologien zurückgreifen, um ihre Bewegungen und ihr Verhalten zu dokumentieren. Eine sehr beliebte Methode sind Satelliten-Tags, aber die können nur kommunizieren, wenn das Tag an der Oberfläche ist – und das erzeugt dann entweder sehr lückenhafte Daten oder sehr große Datensätze. Wir müssen also die Bewegungen des Hais wie bei einem großen Puzzle rekonstruieren, das auf den Daten zur Wassertemperatur, verfügbaren Tiefen, Sonnenaufgangs- und Sonnen­untergangs­zeiten usw. basiert. Dies erfordert viel Rechenleistung. Daher verlassen wir uns stark auf Programme, die diese Daten-Blackboxen für uns knacken und das geheime Leben der Haie aufzudecken.

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Wie schnell erholt sich ein Ökosystem, wenn Meeresschutzgebiete eingerichtet werden?

Wie schnell man Verbesserungen für das Ökosystem sieht, wenn Meeresschutzgebiete eingerichtet werden, hängt von verschiedenen Zeitskalen ab. Im Allgemeinen dauert es einige Jahre, sich eine gute Erholung des Ökosystems bemerkbar macht. Es gibt ein sehr gutes Beispiel aus einem Gebiet in Mexiko namens Cabo Pulmo, das gut geschützt ist und sich großartig erholt hat, aber es hat tatsächlich mehr als zehn Jahre gedauert, bis sich die Situation auch für die Haie auch verbessert hat. Das liegt daran, dass sie im Vergleich zu vielen anderen Fischen eine sehr langsame Fortpflanzung haben - sie brauchen viele Jahre, um ausgewachsen zu sein, und haben dann nur alle paar Jahre ein oder zwei Nachkommen. Aber sobald ein Gebiet anfängt, sich zu erholen, nimmt die gesamte Biomasse im Allgemeinen wirklich zu und beginnt, zu einem gesunden Ökosystem zurückzukehren.

Sollten Menschen Meeresschutzgebiete besuchen dürfen? Wieviel Tourismus verträgt ein geschütztes Gebiet?

Ob Menschen Meeresschutzgebiete besuchen sollten, hängt von ihrer Lage ab und davon, wie man ein nachhaltiges Tourismusniveau definieren möchte. Für viele Arten bietet der Tourismus großes Potenzial. Er könnte eine alternative Lebensgrundlage für die Menschen vor Ort schaffen und gleichzeitig auch die Verwaltung der Meeresschutzgebiete finanzieren. Einige Länder haben beispielsweise Schutzgebiete für Haie geschaffen, weil der Hai-Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Tourismus kann den Naturschutz also durchaus unterstützen, und wenn man reist, sollte sich man sich definitiv für Ökotourismus-Anbietern entscheiden, die geschützte Gebiete unterstützen. Man sollte aber auch darauf achten, ob es dort Verhaltensregeln für die Interaktion mit den Tieren gibt, ob die Anzahl der Boote oder Menschen im Wasser limitiert ist und ob nachvollzogen werden kann, ob die Einnahmen wieder in lokale Naturschutzinitiativen fließen und als Hilfe zur Selbsthilfe genutzt werden.

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Was ist die größte Herausforderung für dich als Meeresbiologe?

Die größte Herausforderung ist es, der Überfischung entgegenzuwirken, denn die größte Bedrohung für Haie besteht einfach darin, dass wir sie viel schneller ausbeuten, als sie sich reproduzieren können. Ja, es ist schwierig, Daten zu erheben, um zu zeigen, was getan werden muss. Aber die eigentliche Herausforderung besteht darin, in den Herzen und Köpfen der Menschen eine Veränderung zu bewirken. Es ist definitiv der schwierigste Schritt, wissenschaftliche Erkenntnisse in echte, sinnvolle Maßnahmen umzusetzen. Aber was mich hoffnungsvoll stimmt, ist, dass es immer mehr Schutzmaßnahmen für Haie ergriffen werden, was sich kürzlich darin zeigte, dass jetzt mehr als 140 Haiarten auf der CITES-Liste stehen, die den internationalen Handel einschränkt und damit mehr als 90 % des Flossenhandels abdeckt.

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